Die Märkte mit dem sozialen Dreh feiern ihr 25-Jahr-Jubiläum 

1999 hat der allererste CAP-Markt in Herrenberg eröffnet, heute sind es schon 109 in nahezu allen Bundesländern – Tendenz weiter steigend. Rund 1000 Menschen mit Behinderungen haben hier seither Arbeit gefunden.

Diverse Nudelsorten sind drauf, Tomatensoßen, süße Snacks und vieles mehr. Vorsichtig schiebt Peter Kittelmann den vollgepackten Wagen durch die Gänge im CAP-Markt in Obertürkheim. Tags zuvor ist frische Ware geliefert worden, die will jetzt eingeräumt werden. Dafür heißt es für Peter Kittelmann durchaus auch mal, auf die Knie zu gehen und sich langzumachen. Ältere Waren aus den Tiefen des Regals herausholen, neu gelieferte Waren nach hinten schieben. Es soll ja schließlich nichts verderben. Die Frühsporteinheit scheint Peter Kittelmann nichts auszumachen. Im Gegenteil. Er versprüht gute Laune und scherzt mit seinem Chef, dem Marktleiter Angelo Carrino.

Peter Kittelmann aus Wangen arbeitet seit 2004 bei CAP. Zuvor war er zwölf Jahre in den Neckartalwerkstätten für Menschen mit Behinderungen beschäftigt gewesen, vor allem in der Montage. „Ich wollte etwas mit Lebensmitteln zu tun haben“, sagt der 50-Jährige. Waren in die Regale einräumen, das Obst und das Gemüse kontrollieren, an der Kasse sitzen, das alles mache ihm ebenso Spaß wie der Umgang mit Menschen. Mal ein Schwätzle halten, das gehört halt dazu. „Und er verdient sein eigenes Geld“, betont Thomas Heckmann, Vorstand der gdw Süd, kurz für Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Süd.

Die CAP-Märkte mit ihrem einprägsamen gelb-roten Logo kennt man landauf, landab. Die drei Buchstaben haben zweierlei Bedeutungen. Zum einen stehen sie für Chance, Arbeit, Perspektive, denn, das ist der zweite Aspekt, sie beschäftigen auch Menschen mit Handicap, außerdem Menschen mit psychischen Erkrankungen, „das ist die am stärksten wachsende Gruppe in Deutschland“, sagt Thomas Heckmann. Bei 50 Prozent liege die Quote der Beschäftigten mit anerkannten Einschränkungen. „Geistig und körperlich behinderte Menschen arbeiten hier gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung“, erklärt Angelo Carrino. „Es ist alles sehr bunt“, jeder habe seine speziellen Bedürfnisse. Peter Kittelmann etwa hat Probleme mit der Balance. Auf Leitern steigen kann er nicht, doch an seinem Arbeitsplatz ist man es gewohnt, auf so etwas einzugehen. „Wenn er wackelig auf den Beinen ist, wird es da eingesetzt, wo er Dinge gut erledigen kann“, betont Angelo Carrino. Thomas Heckmann nickt. Er sagt: „Die Mitarbeitenden werden bei uns nicht an die Arbeit angepasst. Die Arbeit wird an die Mitarbeitenden angepasst.“

Die gdw betreibt über ihre Tochterfirma gfa süd gGmbH vier eigene CAP-Märkte in der Region, unter anderem die in Stuttgart-Untertürkheim und -Obertürkheim, außerdem eine Drogerie und einen Getränkemarkt. Die gfa wiederum ist nur einer von 63 Trägern bundesweit, die im Rahmen eines Sozial-
Franchise hinter den CAP-Märkten stehen. Die Konzeption wird seit 2001 von der in Stuttgart ansässigen gdw als Franchisegeber verantwortet, „das ist das erste Konzept, wo alle Träger unter einem Namen
Inklusion betreiben“, sagt Thomas Heckmann. Die Supermärkte mit dem sozialen Dreh gibt es mittlerweile in nahezu allen deutschen Bundesländern, der 109. wurde vor nicht allzu langer Zeit in Naumburg an der Saale in Sachsen-Anhalt eröffnet. „In Baden- Württemberg gibt mit Abstand die meisten, da hat es auch begonnen“, sagt Stefan Hübner, der gdw-Vorstandssprecher, 67 Geschäfte seien es hierzulande. Die Ware kommt zumeist vom Handelspartner Edeka. Zusammengenommen erwirtschafteten die CAP-Märkte 2023 laut Thomas Heckmann deutschlandweit einen Umsatz von mehr als 220 Millionen Euro. 

Die Marke CAP feiert in diesem Jahr ihr Jubiläum. Vor 25 Jahren, im Oktober 1999, hat der erste Laden in Herrenberg im Kreis Böblingen eröffnet. Seither ist das Konzept mit vielen Preisen bedacht worden, etwa mit dem Handelsinnovationspreis oder der Auszeichnung „Deutschland – Land der Ideen“. Und weitere Openings stehen im Jubiläumsjahr bevor: in Saarwellingen im Saarland, in Waldbrunn in Bayern sowie in Flehingen im Landkreis Karlsruhe. In den bisherigen 109 CAP-Märkten haben rund 1000 Menschen mit Behinderungen Arbeit gefunden. „85 Prozent zu sozialversicherungspflichtigen Gehältern“, betont Thomas Heckmann. 

Der Markt in Obertürkheim gehört zu den Flagshipstores. Er ist hell und freundlich, mit viel Holz und einem großen Bäckerei-, Café- und Imbiss-Bereich namens CAPpuccino.
Erst kurz vor dem Jahreswechsel 2023 auf 2024 wurden alles umgebaut und neu
gemacht. Die Gänge sind auffallend breit, fast so, als könnte ein Auto durchfahren. „Wir werben mit Barrierefreiheit“, sagt Angelo Carrino. Für die Bevölkerung haben die Läden eine weitere wichtige Funktion. CAP ist in der Regel dort zu finden, wo große Branchenplayer sich zurückgezogen haben, weil die Lagen ihnen nicht lukrativ sind; wo die Nahversorgung schwächelt. Das sind Innenstadt-Lagen ohne Expansionsmöglichkeiten oder Wohngebiete.
„Wir gehen auf jeden Fall nicht auf die grüne Wiese“, sagt Thomas Heckmann. Die Geschäfte in Unter- und Obertürkheim etwa habe früher Edeka selbst betrieben, sich dann aber zurückgezogen. CAP sei
eingesprungen. „Für die Stadtteile war das sehr wichtig“, sagt er. Was er aber nicht verhehlt: Wirtschaftlich muss das Ganze dennoch sein. „Für uns muss am Ende des Tages unten die schwarze Null stehen“, betont Thomas Heckmann.


Thomas Heckmann, Vorstand der gdw Süd

Die Arbeitsplätze bei CAP werden gefördert. Die Mittel aus Ausgleichsabgaben, die Unternehmen zahlen, die nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl schwerbehinderter Menschen beschäftigen, fließen ein, ebenso Geld aus der Aktion Mensch. Alles in allem ist das für Thomas Heckmann ein Win-win-Konzept. Geht es nach ihm, soll die Erfolgsgeschichte weitergehen – bei CAP und auch anderen gdw-Projekten. „Wir wollen das Franchisekonzept weiter nach außen tragen“, sagt er. Peter Kittelmann würde das vermutlich unterstützen. Er wirkt zufrieden an seinem Arbeitsplatz. Seit bald 20 Jahren arbeitet er bei CAP. Vor allem mit seinem direkten Vorgesetzten Angelo Carrino scheint er sich bestens zu verstehen. „Ich habe von ihm viel gelernt“, sagt er, während er mit seinem Chef süße Hörnchen ins Regel räumt. Was genau? Peter Kittelmann lacht auf. „Die Ruhe zu bewahren.“

von Caroline Holowiecki

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