„Der Klimawandel ist sichtbarer denn je“


Die Studie „Net Zero Stuttgart“, die das Beratungshaus McKinsey im Auftrag der Stadt Stuttgart erstellt hat, gibt die Größenordnung vor: Jährlich muss die Stadt 3,6 Megatonnen CO2-Äquivalente reduzieren, um bis 2035 das selbst gesetzte Ziel der Klimaneutralität zu schaffen. Nachhaltig unterstützt wird die Schwabenmetropole dabei von den Stadtwerken Stuttgart. Mit Peter Drausnigg, Technischer Geschäftsführer des kommunalen Energieunternehmens, sprach top magazin darüber, wie diese Unterstützung im Detail aussieht und was für die Zukunft in Sachen Energiewende geplant ist.

top: Herr Drausnigg, die Stadt Stuttgart will bis 2035 klimaneutral sein. Wo steht Stuttgart aktuell in diesem Punkt und welche Rolle kommt dabei den Stadtwerken Stuttgart zu?

Drausnigg: Dem im Juli präsentierten Energie- und Klimaschutzbericht 2022/23 der Stadt lässt sich entnehmen, dass Stuttgart auf Kurs ist. Gegenüber dem Basisjahr 1990 haben sich die Treibhausgasemissionen in der Gesamtstadt um 49 Prozent verringert. Aus dem Klima-Fahrplan der Stadt Stuttgart haben wir unsere eigene Energiewende-Strategie abgeleitet und konkrete Einsparlösungen in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität erarbeitet. Damit wollen wir die Reduktion von bis zu einem Viertel der Emissionen in Angriff nehmen und so einen relevanten Teil des städtischen Klima-Fahrplans umsetzen. Neben Effizienzsteigerungen nutzen wir dabei das gesamte Spektrum an umweltfreundlichen Technologien, Innovationen und grünen Optionen. Hierfür haben wir schon eine Reihe an Projekten angeschoben. Wichtig ist uns, auf den grünen Weg auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und sie bei der Energiewende zu unterstützen.

top: Ist 2035 kein zu ehrgeiziges Ziel?

Drausnigg: Das Datum ist selbstverständlich eine Herausforderung. Aber man muss sich solche Ziele setzen, um dann auch wirklich mit großen Schritten darauf zuzugehen. Deshalb sind wir als Stadtwerke sehr schnell unterwegs und wollen eine Menge bewegen – als Motor der Energiewende haben wir da den klaren Auftrag seitens der Stadt. Grundsätzlich hat die Politik aus meiner Sicht die Weichen richtig gestellt. Fossile Energieträger wird man zwar für eine Übergangszeit noch brauchen. Aber Gas zum Beispiel wird allein schon durch die CO2-Steuer immer teurer. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem man sich nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit, sondern auch aus Kostengründen mit den erneuerbaren Energien beschäftigen muss. 

top: Glauben Sie, dass eine ab Herbst kommenden Jahres möglicherweise von der CDU geführte Bundesregierung wieder etwas Tempo aus der Energiewende nimmt?

Drausnigg: Aus meiner Sicht kann man das Rad nicht mehr zurückdrehen. Der Klimawandel ist schließlich sichtbarer denn je. Und wie schon angedeutet, werden die neuen Technologien in den nächsten Jahren günstiger werden. Unabdingbar sind für das Gelingen der Energiewende und damit für unsere künftige Lebensqualität verlässliche politische Rahmenbedingungen. 

top: Was können beziehungsweise müssen zum Beispiel Hausbesitzer tun?

Drausnigg: Auf jeden Fall sollten sie sich unter anderem dahingehend informieren, welche Art der Wärmeversorgung bei ihnen in Frage kommt. Ist zum Beispiel ein Abwasserkanal in der Nähe? Steht genügend Fläche für eine Luftwärmepumpe zur Verfügung? Sind Geothermie oder Fernwärme eine Option? Oder kommt eine Quartierslösung in Frage? Grundsätzlich können Hausbesitzer gerne auf uns zukommen und sich umfassend beraten lassen – auch hinsichtlich möglicher Fördergelder.

top: Sie hatten erwähnt, in Sachen Energiewende bereits mehrere Projekte angeschoben zu haben. Gibt es ein paar aktuelle Leuchtturmprojekte?

Drausnigg: Direkt in Stuttgart beispielsweise die Windenergieanlage „Grüner Heiner“, die wir gemeinsam mit der GEDEA Windkraft Grüner Heiner GmbH & Co. KG neu entwickeln respektive repowern. Die bereits bestehende Anlage in Stuttgart-Weilimdorf soll in den nächsten Jahren durch eine größere, deutlich leistungsfähigere ersetzt werden. Momentan ist die Windenergieanlage rund 70 Meter hoch und erbringt eine Leistung von 600 Kilowatt. Die geplante Anlage soll etwa 180 Meter hoch werden und mit 4,2 Megawatt die siebenfache Leistung erzeugen. Damit können rechnerisch rund 3.000 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Darüber hinaus können wir nahe Jettingen bei Herrenberg eine weitere Windenergieanlage entwickeln. Im Januar 2023 hat uns ForstBW den Zuschlag für den landeseigenen Standort erteilt. Vorläufig sind dort fünf Windenergieanlagen geplant mit einer voraussichtlichen Gesamtleistung von 36 Megawatt. Im Zuge der weiteren Prüfung und Genehmigung kann sich an der Planung allerdings noch einiges ändern. Rein rechnerisch können fünf Windkraftanlagen mit einer solchen Leistung rund 33.000 Haushalte im Jahr mit Ökostrom versorgen. Last but not least haben wir Ende letzten Jahres die im Oktober 2023 vom Projektentwickler ABO Wind erworbene Photovoltaik-Freiflächenanlage bei Niederkirchen in Betrieb genommen. Auf einer Fläche von gut 13,5 Hektar im Landkreis Kaiserslautern erzeugen rund 24.000 Solarmodule Ökostrom. Damit bauen wir unsere solare Energieproduktion entscheidend aus. 

top: Vor Ihrem Wechsel zu den hiesigen Stadtwerken haben Sie schon in Ihrer Zeit in Bad Nauheim Quartierslösungen mit regenerativen Energien entwickelt. In Stuttgart wird das neue Quartier am Wiener Platz in Feuerbach das erste der Stadt mit einer komplett klimaneutralen Wärmeversorgung sein. Wie sieht die Lösung im Detail aus?

Drausnigg: Die Wärmeversorgung wird so ausgestaltet, dass überhaupt kein Gas zum Einsatz kommt. Auch auf Biogas kann vollständig verzichtet werden. Vielmehr ist künftig Abwasser die wichtigste Wärmequelle. Zu diesem Zweck bringen wir einen Wärmetauscher in den Abwasserkanal ein – dort herrschen im Schnitt Temperaturen über 10 Grad, auch im Winter. Die so gewonnene Heizenergie gelangt über eine Trägerflüssigkeit in einem eigenen Kreislauf in die Heizzentrale. Dort erhöht eine Wärmepumpe die Temperatur energieeffizient auf ein nutzbares Niveau. Über spezielle Versorgungsleitungen gelangt die Wärme schließlich in die Gebäude und steht dort zum Heizen und für Warmwasser zur Verfügung. 

Als Redundanz, wenn die Wärmeerzeugung der Wärmepumpen nicht ausreichen sollte, also wenn besonders viel Wärme benötigt wird, haben wir zudem große elektrisch betriebene Heizkessel eingeplant – vergleichbar mit großen Durchlauferhitzern. Diese tragen laut Planstand weniger als 10 Prozent zum Jahreswärmebedarf bei. Über 90 Prozent des Jahreswärmebedarfs wird von den Wärmepumpen gedeckt. Möglich macht das ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 50 Kubikmetern, der Lastspitzen auffangen kann. Strom für die Wärmepumpe wird auch lokal auf den Dächern des Quartiers erzeugt. Geplant sind Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von ungefähr 250 Kilowatt-Peak.

Das neu eröffnete Energie Plaza in der Kesselstraße in Stuttgart

top: Welche erneuerbare Energiequelle verspricht aus Ihrer Sicht den meisten Nutzen – auch angesichts der topographischen Lage Stuttgarts?

Drausnigg: Das hängt zum einen von der weiteren Entwicklung der Technik und zum anderen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Am Ende wird es aber ein Mix aus allen „grünen“ Energiequellen sein. Unser Fokus liegt auf lokaler Erzeugung, nah am Verbraucher. Wichtig ist, dass die jeweils günstigste Technologie zum Einsatz kommt. Wir bleiben also immer technologieoffen. In diesem Zusammenhang sehe ich zum Beispiel auch im grünen Wasserstoff großes Potenzial. Mit dem Projekt „H2 GeNeSiS“ gehen wir dabei in die praktische Umsetzung. Die Neckar-Pipeline zwischen Esslingen und Stuttgart, die Ende 2024 in Betrieb gehen soll, wird die Grundlage für eine grüne Wasserstoffwirtschaft in der Region Stuttgart bilden. Sie soll als Verteilernetzwerk für Wasserstoff fungieren, Erzeuger und Anwender von grünem Wasserstoff werden entlang der Pipeline angesiedelt sein. Es sollen gleichzeitig verschiedene Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff wie zum Beispiel Wohnquartiere, industrienahe Unternehmen und die Mobilität getestet werden. Ergänzend dazu wollen wir am Hafen in Hedelfingen einen „Green Hydrogen Hub“ aufbauen. Bis zu vier Elektrolyseure werden dort ab 2026 pro Jahr rund 1.000 Tonnen grünen Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität produzieren.

top: Im Bereich der E-Mobilität sind die Stadtwerke auch aktiv. Wie ist der Stand in Stuttgart bezüglich der Ladeinfrastruktur und wie sieht der weitere Ausbau aus?

top: Herr Drausnigg, die Stadt Stuttgart will bis 2035 klimaneutral sein. Wo steht Stuttgart aktuell in diesem Punkt und welche Rolle kommt dabei den Stadtwerken Stuttgart zu?

Drausnigg: Dem im Juli präsentierten Energie- und Klimaschutzbericht 2022/23 der Stadt lässt sich entnehmen, dass Stuttgart auf Kurs ist. Gegenüber dem Basisjahr 1990 haben sich die Treibhausgasemissionen in der Gesamtstadt um 49 Prozent verringert. Aus dem Klima-Fahrplan der Stadt Stuttgart haben wir unsere eigene Energiewende-Strategie abgeleitet und konkrete Einsparlösungen in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität erarbeitet. Damit wollen wir die Reduktion von bis zu einem Viertel der Emissionen in Angriff nehmen und so einen relevanten Teil des städtischen Klima-Fahrplans umsetzen. Neben Effizienzsteigerungen nutzen wir dabei das gesamte Spektrum an umweltfreundlichen Technologien, Innovationen und grünen Optionen. Hierfür haben wir schon eine Reihe an Projekten angeschoben. Wichtig ist uns, auf den grünen Weg auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und sie bei der Energiewende zu unterstützen.

top: Ist 2035 kein zu ehrgeiziges Ziel?

Drausnigg: Das Datum ist selbstverständlich eine Herausforderung. Aber man muss sich solche Ziele setzen, um dann auch wirklich mit großen Schritten darauf zuzugehen. Deshalb sind wir als Stadtwerke sehr schnell unterwegs und wollen eine Menge bewegen – als Motor der Energiewende haben wir da den klaren Auftrag seitens der Stadt. Grundsätzlich hat die Politik aus meiner Sicht die Weichen richtig gestellt. Fossile Energieträger wird man zwar für eine Übergangszeit noch brauchen. Aber Gas zum Beispiel wird allein schon durch die CO2-Steuer immer teurer. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem man sich nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit, sondern auch aus Kostengründen mit den erneuerbaren Energien beschäftigen muss. 

top: Glauben Sie, dass eine ab Herbst kommenden Jahres möglicherweise von der CDU geführte Bundesregierung wieder etwas Tempo aus der Energiewende nimmt?

Drausnigg: Aus meiner Sicht kann man das Rad nicht mehr zurückdrehen. Der Klimawandel ist schließlich sichtbarer denn je. Und wie schon angedeutet, werden die neuen Technologien in den nächsten Jahren günstiger werden. Unabdingbar sind für das Gelingen der Energiewende und damit für unsere künftige Lebensqualität verlässliche politische Rahmenbedingungen. 

top: Was können beziehungsweise müssen zum Beispiel Hausbesitzer tun?

Drausnigg: Auf jeden Fall sollten sie sich unter anderem dahingehend informieren, welche Art der Wärmeversorgung bei ihnen in Frage kommt. Ist zum Beispiel ein Abwasserkanal in der Nähe? Steht genügend Fläche für eine Luftwärmepumpe zur Verfügung? Sind Geothermie oder Fernwärme eine Option? Oder kommt eine Quartierslösung in Frage? Grundsätzlich können Hausbesitzer gerne auf uns zukommen und sich umfassend beraten lassen – auch hinsichtlich möglicher Fördergelder.

top: Sie hatten erwähnt, in Sachen Energiewende bereits mehrere Projekte angeschoben zu haben. Gibt es ein paar aktuelle Leuchtturmprojekte?

Drausnigg: Direkt in Stuttgart beispielsweise die Windenergieanlage „Grüner Heiner“,
die wir gemeinsam mit der GEDEA Windkraft Grüner Heiner GmbH & Co. KG neu entwickeln respektive repowern. Die bereits bestehende Anlage in Stuttgart-Weilimdorf soll in den nächsten Jahren durch eine größere, deutlich leistungsfähigere ersetzt werden. Momentan ist die Windenergieanlage rund 70 Meter hoch und erbringt eine Leistung von 600 Kilowatt. Die geplante Anlage soll etwa 180 Meter hoch werden und mit 4,2 Megawatt die siebenfache Leistung erzeugen. Damit können rechnerisch rund 3.000 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Darüber hinaus können wir nahe Jettingen bei Herrenberg eine weitere Windenergieanlage entwickeln. Im Januar 2023 hat uns ForstBW den Zuschlag für den landeseigenen Standort erteilt. Vorläufig sind dort fünf Windenergieanlagen geplant mit einer voraussichtlichen Gesamtleistung von 36 Megawatt. Im Zuge der weiteren Prüfung und Genehmigung kann sich an der Planung allerdings noch einiges ändern. Rein rechnerisch können fünf Windkraftanlagen mit einer solchen Leistung rund 33.000 Haushalte im Jahr mit Ökostrom versorgen. Last but not least haben wir Ende letzten Jahres die im Oktober 2023 vom Projektentwickler ABO Wind erworbene Photovoltaik-Freiflächenanlage bei Niederkirchen in Betrieb genommen. Auf einer Fläche von gut 13,5 Hektar im Landkreis Kaiserslautern erzeugen rund 24.000 Solarmodule Ökostrom. Damit bauen wir unsere solare Energieproduktion entscheidend aus. 

top: Vor Ihrem Wechsel zu den hiesigen Stadtwerken haben Sie schon in Ihrer Zeit in Bad Nauheim Quartierslösungen mit regenerativen Energien entwickelt. In Stuttgart wird das neue Quartier am Wiener Platz in Feuerbach das erste der Stadt mit einer komplett klimaneutralen Wärmeversorgung sein. Wie sieht die Lösung im Detail aus?

Drausnigg: Die Wärmeversorgung wird so ausgestaltet, dass überhaupt kein Gas zum Einsatz kommt. Auch auf Biogas kann vollständig verzichtet werden. Vielmehr ist künftig Abwasser die wichtigste Wärmequelle. Zu diesem Zweck bringen wir einen Wärmetauscher in den Abwasserkanal ein – dort herrschen im Schnitt Temperaturen über 10 Grad, auch im Winter. Die so gewonnene Heizenergie gelangt über eine Trägerflüssigkeit in einem eigenen Kreislauf in die Heizzentrale. Dort erhöht eine Wärmepumpe die Temperatur energieeffizient auf ein nutzbares Niveau. Über spezielle Versorgungsleitungen gelangt die Wärme schließlich in die Gebäude und steht dort zum Heizen und für Warmwasser zur Verfügung. 

Als Redundanz, wenn die Wärmeerzeugung der Wärmepumpen nicht ausreichen sollte, also wenn besonders viel Wärme benötigt wird, haben wir zudem große elektrisch betriebene Heizkessel eingeplant – vergleichbar mit großen Durchlauferhitzern. Diese tragen laut Planstand weniger als 10 Prozent zum Jahreswärmebedarf bei. Über 90 Prozent des Jahreswärmebedarfs wird von den Wärmepumpen gedeckt. Möglich macht das ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 50 Kubikmetern, der Lastspitzen auffangen kann. Strom für die Wärmepumpe wird auch lokal auf den Dächern des Quartiers erzeugt. Geplant sind Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von ungefähr 250 Kilowatt-Peak.

top: Welche erneuerbare Energiequelle verspricht aus Ihrer Sicht den meisten Nutzen – auch angesichts der topographischen Lage Stuttgarts?

Drausnigg: Das hängt zum einen von der weiteren Entwicklung der Technik und zum anderen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Am Ende wird es aber ein Mix aus allen „grünen“ Energiequellen sein. Unser Fokus liegt auf lokaler Erzeugung, nah am Verbraucher. Wichtig ist, dass die jeweils günstigste Technologie zum Einsatz kommt. Wir bleiben also immer technologieoffen. In diesem Zusammenhang sehe ich zum Beispiel auch im grünen Wasserstoff großes Potenzial. Mit dem Projekt „H2 GeNeSiS“ gehen wir dabei in die praktische Umsetzung. Die Neckar-Pipeline zwischen Esslingen und Stuttgart, die Ende 2024 in Betrieb gehen soll, wird die Grundlage für eine grüne Wasserstoffwirtschaft in der Region Stuttgart bilden. Sie soll als Verteilernetzwerk für Wasserstoff fungieren, Erzeuger und Anwender von grünem Wasserstoff werden entlang der Pipeline angesiedelt sein. Es sollen gleichzeitig verschiedene Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff wie zum Beispiel Wohnquartiere, industrienahe Unternehmen und die Mobilität getestet werden. Ergänzend dazu wollen wir am Hafen in Hedelfingen einen „Green Hydrogen Hub“ aufbauen. Bis zu vier Elektrolyseure werden dort ab 2026 pro Jahr rund 1.000 Tonnen grünen Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität produzieren.

top: Im Bereich der E-Mobilität sind die Stadtwerke auch aktiv. Wie ist der Stand in Stuttgart bezüglich der Ladeinfrastruktur und wie sieht der weitere Ausbau aus?

Drausnigg: Stuttgart nimmt hier bundesweit einen Spitzenplatz ein. Allein die Stadtwerke betreiben rund 500 Ladepunkte im öffentlichen Raum, dazu kommen bis zum Jahresende 350 Ladepunkte in den Parkhäusern der Innenstadt sowie weitere an anderen Örtlichkeiten. Insgesamt haben wir bereits über 1.000 Ladepunkte realisiert. Darüber hinaus bauen wir aktuell rund um Stuttgart einen Schnellladering auf. An den Stationen wie zum Beispiel in Stuttgart-Wangen bei der Süddeutschen Verkehrsgenossenschaft oder im Römerkastell kann man sein Fahrzeug mit 300 Kilowatt laden. Unser Ziel bis 2035 sind 14.000 Ladepunkte im Stadtgebiet – privat und öffentlich zugänglich.

top: Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Wo steht Stuttgart in Sachen Energieversorgung im Jahr 2050?

Drausnigg: Wir fokussieren uns jetzt zunächst einmal auf die Zielerreichung bis 2035. Bis zum Jahr 2050 sind es aus heutiger Sicht ja noch rund 25 Jahre. Wir werden dann aber auf jeden Fall ein völlig anderes Energiesystem haben. Fossile Energieträger werden so gut wie keine Rolle mehr spielen. top: Herr Drausnigg, die Stadt Stuttgart will bis 2035 klimaneutral sein. Wo steht Stuttgart aktuell in diesem Punkt und welche Rolle kommt dabei den Stadtwerken Stuttgart zu?

Drausnigg: Dem im Juli präsentierten Energie- und Klimaschutzbericht 2022/23 der Stadt lässt sich entnehmen, dass Stuttgart auf Kurs ist. Gegenüber dem Basisjahr 1990 haben sich die Treibhausgasemissionen in der Gesamtstadt um 49 Prozent verringert. Aus dem Klima-Fahrplan der Stadt Stuttgart haben wir unsere eigene Energiewende-Strategie abgeleitet und konkrete Einsparlösungen in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität erarbeitet. Damit wollen wir die Reduktion von bis zu einem Viertel der Emissionen in Angriff nehmen und so einen relevanten Teil des städtischen Klima-Fahrplans umsetzen. Neben Effizienzsteigerungen nutzen wir dabei das gesamte Spektrum an umweltfreundlichen Technologien, Innovationen und grünen Optionen. Hierfür haben wir schon eine Reihe an Projekten angeschoben. Wichtig ist uns, auf den grünen Weg auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und sie bei der Energiewende zu unterstützen.

top: Ist 2035 kein zu ehrgeiziges Ziel?

Drausnigg: Das Datum ist selbstverständlich eine Herausforderung. Aber man muss sich solche Ziele setzen, um dann auch wirklich mit großen Schritten darauf zuzugehen. Deshalb sind wir als Stadtwerke sehr schnell unterwegs und wollen eine Menge bewegen – als Motor der Energiewende haben wir da den klaren Auftrag seitens der Stadt. Grundsätzlich hat die Politik aus meiner Sicht die Weichen richtig gestellt. Fossile Energieträger wird man zwar für eine Übergangszeit noch brauchen. Aber Gas zum Beispiel wird allein schon durch die CO2-Steuer immer teurer. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem man sich nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit, sondern auch aus Kostengründen mit den erneuerbaren Energien beschäftigen muss. 

top: Glauben Sie, dass eine ab Herbst kommenden Jahres möglicherweise von der CDU geführte Bundesregierung wieder etwas Tempo aus der Energiewende nimmt?

Drausnigg: Aus meiner Sicht kann man das Rad nicht mehr zurückdrehen. Der Klimawandel ist schließlich sichtbarer denn je. Und wie schon angedeutet, werden die neuen Technologien in den nächsten Jahren günstiger werden. Unabdingbar sind für das Gelingen der Energiewende und damit für unsere künftige Lebensqualität verlässliche politische Rahmenbedingungen. 

top: Was können beziehungsweise müssen zum Beispiel Hausbesitzer tun?

Drausnigg: Auf jeden Fall sollten sie sich unter anderem dahingehend informieren, welche Art der Wärmeversorgung bei ihnen in Frage kommt. Ist zum Beispiel ein Abwasserkanal in der Nähe? Steht genügend Fläche für eine Luftwärmepumpe zur Verfügung? Sind Geothermie oder Fernwärme eine Option? Oder kommt eine Quartierslösung in Frage? Grundsätzlich können Hausbesitzer gerne auf uns zukommen und sich umfassend beraten lassen – auch hinsichtlich möglicher Fördergelder.

top: Sie hatten erwähnt, in Sachen Energiewende bereits mehrere Projekte angeschoben zu haben. Gibt es ein paar aktuelle Leuchtturmprojekte?

Drausnigg: Direkt in Stuttgart beispielsweise die Windenergieanlage „Grüner Heiner“,
die wir gemeinsam mit der GEDEA Windkraft Grüner Heiner GmbH & Co. KG neu entwickeln respektive repowern. Die bereits bestehende Anlage in Stuttgart-Weilimdorf soll in den nächsten Jahren durch eine größere, deutlich leistungsfähigere ersetzt werden. Momentan ist die Windenergieanlage rund 70 Meter hoch und erbringt eine Leistung von 600 Kilowatt. Die geplante Anlage soll etwa 180 Meter hoch werden und mit 4,2 Megawatt die siebenfache Leistung erzeugen. Damit können rechnerisch rund 3.000 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Darüber hinaus können wir nahe Jettingen bei Herrenberg eine weitere Windenergieanlage entwickeln. Im Januar 2023 hat uns ForstBW den Zuschlag für den landeseigenen Standort erteilt. Vorläufig sind dort fünf Windenergieanlagen geplant mit einer voraussichtlichen Gesamtleistung von 36 Megawatt. Im Zuge der weiteren Prüfung und Genehmigung kann sich an der Planung allerdings noch einiges ändern. Rein rechnerisch können fünf Windkraftanlagen mit einer solchen Leistung rund 33.000 Haushalte im Jahr mit Ökostrom versorgen. Last but not least haben wir Ende letzten Jahres die im Oktober 2023 vom Projektentwickler ABO Wind erworbene Photovoltaik-Freiflächenanlage bei Niederkirchen in Betrieb genommen. Auf einer Fläche von gut 13,5 Hektar im Landkreis Kaiserslautern erzeugen rund 24.000 Solarmodule Ökostrom. Damit bauen wir unsere solare Energieproduktion entscheidend aus. 

top: Vor Ihrem Wechsel zu den hiesigen Stadtwerken haben Sie schon in Ihrer Zeit in Bad Nauheim Quartierslösungen mit regenerativen Energien entwickelt. In Stuttgart wird das neue Quartier am Wiener Platz in Feuerbach das erste der Stadt mit einer komplett klimaneutralen Wärmeversorgung sein. Wie sieht die Lösung im Detail aus?

Drausnigg: Die Wärmeversorgung wird so ausgestaltet, dass überhaupt kein Gas zum Einsatz kommt. Auch auf Biogas kann vollständig verzichtet werden. Vielmehr ist künftig Abwasser die wichtigste Wärmequelle. Zu diesem Zweck bringen wir einen Wärmetauscher in den Abwasserkanal ein – dort herrschen im Schnitt Temperaturen über 10 Grad, auch im Winter. Die so gewonnene Heizenergie gelangt über eine Trägerflüssigkeit in einem eigenen Kreislauf in die Heizzentrale. Dort erhöht eine Wärmepumpe die Temperatur energieeffizient auf ein nutzbares Niveau. Über spezielle Versorgungsleitungen gelangt die Wärme schließlich in die Gebäude und steht dort zum Heizen und für Warmwasser zur Verfügung. 

„Unser Fokus liegt auf lokaler Erzeugung, nah am Verbraucher.“

Als Redundanz, wenn die Wärmeerzeugung der Wärmepumpen nicht ausreichen sollte, also wenn besonders viel Wärme benötigt wird, haben wir zudem große elektrisch betriebene Heizkessel eingeplant – vergleichbar mit großen Durchlauferhitzern. Diese tragen laut Planstand weniger als 10 Prozent zum Jahreswärmebedarf bei. Über 90 Prozent des Jahreswärmebedarfs wird von den Wärmepumpen gedeckt. Möglich macht das ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 50 Kubikmetern, der Lastspitzen auffangen kann. Strom für die Wärmepumpe wird auch lokal auf den Dächern des Quartiers erzeugt. Geplant sind Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von ungefähr 250 Kilowatt-Peak.

top: Welche erneuerbare Energiequelle verspricht aus Ihrer Sicht den meisten Nutzen – auch angesichts der topographischen Lage Stuttgarts?

Drausnigg: Das hängt zum einen von der weiteren Entwicklung der Technik und zum anderen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Am Ende wird es aber ein Mix aus allen „grünen“ Energiequellen sein. Unser Fokus liegt auf lokaler Erzeugung, nah am Verbraucher. Wichtig ist, dass die jeweils günstigste Technologie zum Einsatz kommt. Wir bleiben also immer technologieoffen. In diesem Zusammenhang sehe ich zum Beispiel auch im grünen Wasserstoff großes Potenzial. Mit dem Projekt „H2 GeNeSiS“ gehen wir dabei in die praktische Umsetzung. Die Neckar-Pipeline zwischen Esslingen und Stuttgart, die Ende 2024 in Betrieb gehen soll, wird die Grundlage für eine grüne Wasserstoffwirtschaft in der Region Stuttgart bilden. Sie soll als Verteilernetzwerk für Wasserstoff fungieren, Erzeuger und Anwender von grünem Wasserstoff werden entlang der Pipeline angesiedelt sein. Es sollen gleichzeitig verschiedene Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff wie zum Beispiel Wohnquartiere, industrienahe Unternehmen und die Mobilität getestet werden. Ergänzend dazu wollen wir am Hafen in Hedelfingen einen „Green Hydrogen Hub“ aufbauen. Bis zu vier Elektrolyseure werden dort ab 2026 pro Jahr rund 1.000 Tonnen grünen Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität produzieren.

top: Im Bereich der E-Mobilität sind die Stadtwerke auch aktiv. Wie ist der Stand in Stuttgart bezüglich der Ladeinfrastruktur und wie sieht der weitere Ausbau aus?

Drausnigg: Stuttgart nimmt hier bundesweit einen Spitzenplatz ein. Allein die Stadtwerke betreiben rund 500 Ladepunkte im öffentlichen Raum, dazu kommen bis zum Jahresende 350 Ladepunkte in den Parkhäusern der Innenstadt sowie weitere an anderen Örtlichkeiten. Insgesamt haben wir bereits über 1.000 Ladepunkte realisiert. Darüber hinaus bauen wir aktuell rund um Stuttgart einen Schnellladering auf. An den Stationen wie zum Beispiel in Stuttgart-Wangen bei der Süddeutschen Verkehrsgenossenschaft oder im Römerkastell kann man sein Fahrzeug mit 300 Kilowatt laden. Unser Ziel bis 2035 sind 14.000 Ladepunkte im Stadtgebiet – privat und öffentlich zugänglich.

top: Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Wo steht Stuttgart in Sachen Energieversorgung im Jahr 2050?

Drausnigg: Wir fokussieren uns jetzt zunächst einmal auf die Zielerreichung bis 2035. Bis zum Jahr 2050 sind es aus heutiger Sicht ja noch rund 25 Jahre. Wir werden dann aber auf jeden Fall ein völlig anderes Energiesystem haben. Fossile Energieträger werden so gut wie keine Rolle mehr spielen. 

top: Herr Drausnigg, die Stadt Stuttgart will bis 2035 klimaneutral sein. Wo steht Stuttgart aktuell in diesem Punkt und welche Rolle kommt dabei den Stadtwerken Stuttgart zu?

Drausnigg: Dem im Juli präsentierten Energie- und Klimaschutzbericht 2022/23 der Stadt lässt sich entnehmen, dass Stuttgart auf Kurs ist. Gegenüber dem Basisjahr 1990 haben sich die Treibhausgasemissionen in der Gesamtstadt um 49 Prozent verringert. Aus dem Klima-Fahrplan der Stadt Stuttgart haben wir unsere eigene Energiewende-Strategie abgeleitet und konkrete Einsparlösungen in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität erarbeitet. Damit wollen wir die Reduktion von bis zu einem Viertel der Emissionen in Angriff nehmen und so einen relevanten Teil des städtischen Klima-Fahrplans umsetzen. Neben Effizienzsteigerungen nutzen wir dabei das gesamte Spektrum an umweltfreundlichen Technologien, Innovationen und grünen Optionen. Hierfür haben wir schon eine Reihe an Projekten angeschoben. Wichtig ist uns, auf den grünen Weg auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und sie bei der Energiewende zu unterstützen.

top: Ist 2035 kein zu ehrgeiziges Ziel?

Drausnigg: Das Datum ist selbstverständlich eine Herausforderung. Aber man muss sich solche Ziele setzen, um dann auch wirklich mit großen Schritten darauf zuzugehen. Deshalb sind wir als Stadtwerke sehr schnell unterwegs und wollen eine Menge bewegen – als Motor der Energiewende haben wir da den klaren Auftrag seitens der Stadt. Grundsätzlich hat die Politik aus meiner Sicht die Weichen richtig gestellt. Fossile Energieträger wird man zwar für eine Übergangszeit noch brauchen. Aber Gas zum Beispiel wird allein schon durch die CO2-Steuer immer teurer. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem man sich nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit, sondern auch aus Kostengründen mit den erneuerbaren Energien beschäftigen muss. 

top: Glauben Sie, dass eine ab Herbst kommenden Jahres möglicherweise von der CDU geführte Bundesregierung wieder etwas Tempo aus der Energiewende nimmt?

Drausnigg: Aus meiner Sicht kann man das Rad nicht mehr zurückdrehen. Der Klimawandel ist schließlich sichtbarer denn je. Und wie schon angedeutet, werden die neuen Technologien in den nächsten Jahren günstiger werden. Unabdingbar sind für das Gelingen der Energiewende und damit für unsere künftige Lebensqualität verlässliche politische Rahmenbedingungen. 

top: Was können beziehungsweise müssen zum Beispiel Hausbesitzer tun?

Drausnigg: Auf jeden Fall sollten sie sich unter anderem dahingehend informieren, welche Art der Wärmeversorgung bei ihnen in Frage kommt. Ist zum Beispiel ein Abwasserkanal in der Nähe? Steht genügend Fläche für eine Luftwärmepumpe zur Verfügung? Sind Geothermie oder Fernwärme eine Option? Oder kommt eine Quartierslösung in Frage? Grundsätzlich können Hausbesitzer gerne auf uns zukommen und sich umfassend beraten lassen – auch hinsichtlich möglicher Fördergelder.

top: Sie hatten erwähnt, in Sachen Energiewende bereits mehrere Projekte angeschoben zu haben. Gibt es ein paar aktuelle Leuchtturmprojekte?

Drausnigg: Direkt in Stuttgart beispielsweise die Windenergieanlage „Grüner Heiner“,
die wir gemeinsam mit der GEDEA Windkraft Grüner Heiner GmbH & Co. KG neu entwickeln respektive repowern. Die bereits bestehende Anlage in Stuttgart-Weilimdorf soll in den nächsten Jahren durch eine größere, deutlich leistungsfähigere ersetzt werden. Momentan ist die Windenergieanlage rund 70 Meter hoch und erbringt eine Leistung von 600 Kilowatt. Die geplante Anlage soll etwa 180 Meter hoch werden und mit 4,2 Megawatt die siebenfache Leistung erzeugen. Damit können rechnerisch rund 3.000 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Darüber hinaus können wir nahe Jettingen
bei Herrenberg eine weitere Windenergieanlage entwickeln. Im Januar 2023 hat uns ForstBW den Zuschlag für den landeseigenen Standort erteilt. Vorläufig sind dort fünf Windenergieanlagen geplant mit einer voraussichtlichen Gesamtleistung von 36 Megawatt. Im Zuge der weiteren Prüfung und Genehmigung kann sich an der Planung allerdings noch einiges ändern. Rein rechnerisch können fünf Windkraftanlagen mit einer solchen Leistung rund 33.000 Haushalte im Jahr mit Ökostrom versorgen. Last but not least haben wir Ende letzten Jahres die im Oktober 2023 vom Projektentwickler ABO Wind erworbene Photovoltaik-Freiflächenanlage bei Niederkirchen in Betrieb genommen. Auf einer Fläche von gut 13,5 Hektar im Landkreis Kaiserslautern erzeugen rund 24.000 Solarmodule Ökostrom. Damit bauen wir unsere solare Energieproduktion entscheidend aus. 

top: Vor Ihrem Wechsel zu den hiesigen Stadtwerken haben Sie schon in Ihrer Zeit in Bad Nauheim Quartierslösungen mit regenerativen Energien entwickelt. In Stuttgart wird das neue Quartier am Wiener Platz in Feuerbach das erste der Stadt mit einer komplett klimaneutralen Wärmeversorgung sein. Wie sieht die Lösung im Detail aus?

Drausnigg: Die Wärmeversorgung wird so ausgestaltet, dass überhaupt kein Gas zum Einsatz kommt. Auch auf Biogas kann vollständig verzichtet werden. Vielmehr ist künftig Abwasser die wichtigste Wärmequelle. Zu diesem Zweck bringen wir einen Wärmetauscher in den Abwasserkanal ein – dort herrschen im Schnitt Temperaturen über 10 Grad, auch im Winter. Die so gewonnene Heizenergie gelangt über eine Trägerflüssigkeit in einem eigenen Kreislauf in die Heizzentrale. Dort erhöht eine Wärmepumpe die Temperatur energieeffizient auf ein nutzbares Niveau. Über spezielle Versorgungsleitungen gelangt die Wärme schließlich in die Gebäude und steht dort zum Heizen und für Warmwasser zur Verfügung. 

Als Redundanz, wenn die Wärmeerzeugung der Wärmepumpen nicht ausreichen sollte, also wenn besonders viel Wärme benötigt wird, haben wir zudem große elektrisch betriebene Heizkessel eingeplant – vergleichbar mit großen Durchlauferhitzern. Diese tragen laut Planstand weniger als 10 Prozent zum Jahreswärmebedarf bei. Über 90 Prozent des Jahreswärmebedarfs wird von den Wärmepumpen gedeckt. Möglich macht das ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 50 Kubikmetern, der Lastspitzen auffangen kann. Strom für die Wärmepumpe wird auch lokal auf den Dächern des Quartiers erzeugt. Geplant sind Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von ungefähr 250 Kilowatt-Peak.

top: Welche erneuerbare Energiequelle verspricht aus Ihrer Sicht den meisten Nutzen – auch angesichts der topographischen Lage Stuttgarts?

Drausnigg: Das hängt zum einen von der weiteren Entwicklung der Technik und zum anderen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Am Ende wird es aber ein Mix aus allen „grünen“ Energiequellen sein. Unser Fokus liegt auf lokaler Erzeugung, nah am Verbraucher. Wichtig ist, dass die jeweils günstigste Technologie zum Einsatz kommt. Wir bleiben also immer technologieoffen. In diesem Zusammenhang sehe ich zum Beispiel auch im grünen Wasserstoff großes Potenzial. Mit dem Projekt „H2 GeNeSiS“ gehen wir dabei in die praktische Umsetzung. Die Neckar-Pipeline zwischen Esslingen und Stuttgart, die Ende 2024 in Betrieb gehen soll, wird die Grundlage für eine grüne Wasserstoffwirtschaft in der Region Stuttgart bilden. Sie soll als Verteilernetzwerk für Wasserstoff fungieren, Erzeuger und Anwender von grünem Wasserstoff werden entlang der Pipeline angesiedelt sein. Es sollen gleichzeitig verschiedene Anwendungsbereiche für grünen Wasserstoff wie zum Beispiel Wohnquartiere, industrienahe Unternehmen und die Mobilität getestet werden. Ergänzend dazu wollen wir am Hafen in Hedelfingen einen „Green Hydrogen Hub“ aufbauen. Bis zu vier Elektrolyseure werden dort ab 2026 pro Jahr rund 1.000 Tonnen grünen Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität produzieren.

top: Im Bereich der E-Mobilität sind die Stadtwerke auch aktiv. Wie ist der Stand in Stuttgart bezüglich der Ladeinfrastruktur und wie sieht der weitere Ausbau aus?

Drausnigg: Stuttgart nimmt hier bundesweit einen Spitzenplatz ein. Allein die Stadtwerke betreiben rund 500 Ladepunkte im öffentlichen Raum, dazu kommen bis zum Jahresende 350 Ladepunkte in den Parkhäusern der Innenstadt sowie weitere an anderen Örtlichkeiten. Insgesamt haben wir bereits über 1.000 Ladepunkte realisiert. Darüber hinaus bauen wir aktuell rund um Stuttgart einen Schnellladering auf. An den Stationen wie zum Beispiel in Stuttgart-Wangen bei der Süddeutschen Verkehrsgenossenschaft oder im Römerkastell kann man sein Fahrzeug mit 300 Kilowatt laden. Unser Ziel bis 2035 sind 14.000 Ladepunkte im Stadtgebiet – privat und öffentlich zugänglich.

top: Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Wo steht Stuttgart in Sachen Energieversorgung im Jahr 2050?

Drausnigg: Wir fokussieren uns jetzt zunächst einmal auf die Zielerreichung bis 2035. Bis zum Jahr 2050 sind es aus heutiger Sicht ja noch rund 25 Jahre. Wir werden dann aber auf jeden Fall ein völlig anderes Energiesystem haben. Fossile Energieträger werden so gut wie keine Rolle mehr spielen. 

Empfohlene Artikel