2018 wurde die JANO Filder gegründet, kurz für Jugendhandball-Akademie Neuhausen/Ostfildern. Seither spielen sowohl die Leistungs- als auch die Breitensport-Teams oben mit. Sogar um die Deutsche Meisterschaft.

Das Gespräch geht weiter, doch Markus Scherbaums Blick ist gefangen. Wie ein Adler verfolgt er, was sich auf dem Spielfeld der neuen Sporthalle in Ostfildern-Nellingen abspielt. Obwohl er munter weitererzählt, lässt er die jungen Handballer, die gerade Würfe aus diversen Zweikampfsituationen heraus üben und immer wieder aufs Tor zielen, nicht eine Sekunde aus den Augen. Es sind Würfe so schnell und so präzise wie Raketeneinschläge. An diesem Montagabend ist nicht irgendwer auf dem Trainingsfeld. Es ist die A-Jugend der Filder-Falken. Die jungen Männer, die meisten von ihnen 17 und 18 Jahre alt, wissen zu diesem Zeitpunkt bereits, dass sie sich fürs Finale der Deutschen Meisterschaft in dieser Altersklasse qualifiziert haben. Zum Titel wird es letztlich nicht reichen, den wird sich der Erlanger Bundesliganachwuchs holen. Dennoch sind alle stolz auf den Vize-Titel und die Saisonleistung. „Das ist jetzt schon mit Abstand unser größter Erfolg“, sagt Markus Scherbaum.
Filder-Falken, so nennen sich die Teams der JANO Filder. Sie wurde im Jahr 2018 vom TSV Neuhausen/Filder und der Handballspielgemeinschaft Ostfildern, deren Stammvereine wiederum der TB Ruit und der TSV Scharnhausen sind, ins Leben gerufen. Der Fokus ist klar. Talentierten Jugendspielern aus der Region sollen eine handballerische Ausbildung und eine sportliche Förderung auf Top-Niveau ermöglicht werden. Die treibende Kraft war seinerzeit Markus Scherbaum, der heutige Sport-Vorstand. Der 51-Jährige ist Handballer durch und durch, hat selbst lange Jahre aktiv beim TSV Neuhausen gespielt, damals in der dritten Liga. Später hat er diverse Funktionärsrollen übernommen und sich vor allem als Trainer im Nachwuchsbereich einen Namen gemacht. Markus Scherbaum kommt aus dem Leistungssport. Er ist ein Wenn-schon-denn-schon-Typ. „Ich finde, wenn jemand Sport macht, sollte er es auch richtig machen“, sagt er. Seinen beiden handballaffinen Söhnen wollte er die bestmögliche Ausbildung angedeihen lassen, war aber mit der Systematik und der Herangehensweise in den hiesigen Vereinen unzufrieden. Zu wenig Hallenzeiten, zu wenig Drive. „Die Cracks sind verloren gegangen, weil wir den Leistungsbereich nicht abdecken konnten“, erzählt Markus Scherbaum. So reifte der Entschluss zur JANO.
In der Jugendhandball-Akademie können ambitionierte Sporttalente nun seit bereits sieben Jahren in vielerlei Hinsicht profitieren. Zum einen sind da mehr Hallen und somit auch mehr Hallenzeiten, immerhin haben drei ehemals eigenständige Vereine ihre Spielstätten mitgebracht. Trainiert und gespielt wird heute in den Ostfilderner Stadtteilen Ruit, Scharnhausen und Nellingen, ebenso in Neuhausen. Markus Scherbaum spricht zudem von gebündelten Kompetenzen und mehr Personal. Gut und gerne 80 Trainerinnen und Trainer – davon eine Person mit einer A-, neun mit einer B- und neun mit einer C-Lizenz – sind heute für die jungen Leute da. Zudem unterstützt der frühere deutsche Nationalspieler und mehrfache Europapokalsieger Manuel Späth das Projekt seiner beiden Ausbildungsvereine als Schirmherr und auch als Trainer.
Dieses Gesamtpaket kommt an. Der Zulauf ist groß, sogar aus Ägypten habe es schon Anfragen gegeben. Hierzulande ist Handball eine beliebte Sportart. „Die Region ist super handballbegeistert“, sagt Markus Scherbaum. Alles in allem trainieren derzeit 450 Kinder und Jugendliche bei den Filder-Falken, die allermeisten kommen aus den beiden JANO-Ursprungskommunen Ostfildern und Neuhausen, manche auch aus den Ortschaften im Umkreis. „Wir wollen heimatnah ausbilden“, betont Markus Scherbaum, und nehme man auch mal einen Spieler von außen an, „muss er uns klar besser machen oder auf einer Position spielen, die uns fehlt“.

Das Besondere: Der Breiten- und der Leistungssport laufen bei der JANO parallel, von den Kleinen in der E- und F-Jugend bis zu den Ältesten in der A-Jugend. Im Breitensportbereich gibt es auch weibliche Mannschaften. Heiko Waidelich (53), ehemals aktiver Spieler und Teamkollege von Markus Scherbaum, ist bei der JANO der sportliche Leiter im Breitensportbereich, bei den sogenannten Challenger-Teams. „Wir fangen früh an mit der Selektion“, sagt er. Will heißen: Schon bei den sehr jungen Handballern wird geschaut, wer echtes Talent, super Anlagen und die Leidenschaft für mehr mitbringt. Doch es geht nicht um Scouting um jeden Preis. „Wichtig ist, dass sich alle auf ihrem Niveau entwickeln können“, sagt Heiko Waidelich, und Markus Scherbaum nickt. Er sagt: „Wichtig ist uns, jedem Kind eine sportliche Heimat zu geben.“ Er glaubt: Nur wenn sich ein Kind mit seiner Leistung wertgeschätzt fühle, könne es sich im Sport richtig entfalten – und langfristig Spaß entwickeln. Der Breitensport ist der JANO ebenso wichtig wie der Leistungsbereich, stellen die beiden Männer klar. „Wir haben immer gesagt: Den Falken auf der Brust kann jeder tragen“, betont Markus Scherbaum. Die vermittelten Inhalte seien gleich, Unterschiede gebe es nur in der Intensität. Und vor allem: Das Wir-Gefühl zählt. Das Vereinsleben. „Wir haben keinen abgehobenen Leistungsbereich, sondern immer eine Verbindung nach unten“, sagt Heiko Waidelich. Ein reines Nachwuchsleistungszentrum habe man nie gründen wollen, denn dort habe das Ehrenamt keinen Platz mehr. Bei der JANO steht es allerdings im Vordergrund, und dies zum Wohl der jungen Spielerinnen und Spieler, aber auch, um beispielsweise Trainer, die hier ebenfalls ausgebildet werden, zu begeistern. „Unsere komplette Überzeugung ist, dass es unsere Aufgabe ist, die Kinder zu entwickeln. Persönlichkeitsentwicklung spielt bei uns eine entscheidende Rolle“, sagt Markus Scherbaum. Dafür werden regelmäßig Camps oder Herbstfreizeiten veranstaltet, in denen die älteren Jugendlichen dann auch als Trainer für die jüngeren einspringen, und bei Gemeindefesten sind die Falken ebenfalls aktiv.
Der Erfolg gibt der JANO recht. Sämtliche Falken-Teams spielen in ihrer jeweiligen Altersklasse oben mit und messen sich mit den besten Mannschaften des Landes. „Es ist schon eine Bestätigung“, sagt Markus Scherbaum, während die A-Jugend-Spieler an diesem Montagabend weiter durch die Halle rennen und sich aufs bislang wichtigste Spiel ihrer noch jungen Sportlerkarriere vorbereiten, das Finale der Deutschen Meisterschaft. Die JANO hat schon etliche Talente hervorgebracht. Mehr als 60 Spieler, die hier ausgebildet wurden, haben es in die Förderkader von Bezirk, Landesverband und dem Deutschen Handballbund geschafft. Eines der Talente ist Markus Scherbaums eigener Sohn, der 17-jährige Nick. Er ist im erweiterten Kader der U-19-Nationalmannschaft, ebenso wie Laurin Huss. Zum U-19-Kader gehört überdies auch Max Heydecke. Sie haben Chancen, im August bei der Weltmeisterschaft in Ägypten auflaufen zu dürfen. Weitere Namen sind im Zusammenhang mit der JANO zu nennen, Marvin Siemer etwa, heute Bundesliga-Spieler beim VfL Potsdam. Zwei von acht Elitekader-Spielern des Deutschen Handballbundes, nämlich Julien Sprößig und Linus Schmid, sind ebenfalls JANO-Gewächse. Heiko Waidelich sagt: „Wir sind der einzige Verein in Deutschland, der zwei Elitekader-Spieler hat.
Text: Caroline Holowiecki. Fotos: Anton Richter